Mittwoch, 29. September 2010
"Politik eingeleimt" oder Entbürokratisierung?
Im Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) ist u.a.a geplant, die Nutzenbewertung von Arzneimitteln neu zu gestalten. Zukünftig sollen alle (nachgeschalteten) "Nutzenbewertungen" wegfallen, weil in der Zulassung bereits die Eignung (und damit wohl auch der Nutzen) nachgewiesen sei.

Klar, dass das diejenigen auf den Plan ruft, die bisher hier mit reinreden und ihren Bedenken anmelden, also ihre eigene Wichtigkeit mittels bürokratischer Verzögerungen austoben konnten (ohne eigentlich Verantwortung zu tragen). Und so meint denn auch der Sprecher der KK, den Arzneimittelherstellern sei es gelungen "die Politik einzuleimen", die SPD und die Grünen wettern, dass sich die CDU/FDP wieder dem Druck des Großkapitals und der Pharmalobby gebeugt hat und das IQWIG erkennt, dass die Pharmaindustrie damit keine Anreize mehr hat "gute" Studien zu machen.

Das kann man ja alles verstehen. Aber wollen wir Medikamente, oder wollen wir einen Bedenken-Markt? Die Zulassung in Deutschland dauert eh schon deutlich länger als in den meisten anderen (Industrie-)Ländern. Und all diese "Bedenkenträrger" sind in Wirklickeit doch auch nichts anderes als Lobbyisten, noch dazu mit gesetzlich verbriefter bürokratischer Verhinderungsmacht!

Lange Jahrzehnte hat die Deutsche Bundesbank für die Stabilität der D-Mark und damit der deutschen Wirtschaft gestanden, weil sie eben unabhängig war von politischen und wirtschaftlichen Interessen! Hätte die Politik daraus gelernt und auch im Gesundheitswesen (analog der FDA in den USA) Institutionen geschaffen, die wirklich unabhängig sind, dann gäbe es dieses ganze Hick-Hack nicht. Aber nein, jede Regierung holt sich (wie im Bundesverfassungsgericht) immer ihre Parteigänger in die Ämter, schafft nötigenfalls sogar neue!

Klare Verantwortung und allgemeinverbindliche Aussagen bedingen natürlich ein entsprechendes Verantwortungsbewußtsein der Zulassungsbehörde! Aber für die Ärzte wäre damit doch ein deutlicher Schritt nach vorne getan, um das ständige Hin und Her (Medikament ist zwar zugelassen, wird aber als unwirksam oder unwirtschaftlich bezeichnet und nach Belieben von der einen Kasse übernommen und von der anderen Kasse dem Arzt als "Schaden" in Rechnung gestellt etc.) endlich abzubauen.

Ich fürchte nur, bei der üblichen Echternacher Springprozession (drei vor und zwei zurück - oder war's umgekehrt?) der parlamentarischen Beratung wird eher eine neue übergeordnete Behörde geschaffen, die dann die Zulassung, den Nutzen der Nutzenbewertung vom IQWIG, die Wirtschaftlichkeit der Wirtschaftlichkeitsbewertung der Krankenkassen und die Sinnhaftigkeit der "sozial"-lobbyistischen Versprechungen (die Doppeldeutigkeit dieses Wortes fasziniert mich immer wieder) der Opposition überdenkt, neu bewertet und den Ärzten vorschreibt, auch das noch ins therapeutische Kalkül mit einzubeziehen. Anderenfalls ... Zahlemann und Söhne!

Dann schnitzt euch doch eure Ärzte!

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Dienstag, 28. September 2010
Auch Rösler schafft's nicht
Schlechte Noten geben über 1000 niedergelassene Ärzte dem neuen Gesundheitsminister für seine Politik in einer Umfrage der Ärztezeitung - darunter besonders die Hausärzte: meist "mangelhaft". Dabei hat er - bei Licht besehen - gar nicht soviel falsch gemacht (den Quatsch mit den Kinderärzten vergessen wir mal - jeder hat das Recht sich selbst lächerlich zu machen). Er hat aber auch nicht den großen angekündigten Umschwung gebracht. Letztendlich geht's uns Ärzten "so (mies) wie vorher" - das ist aus Sicht der Politik und der Kassen gut, aus Sicht der Ärzte schlecht.

Ich frage mich nun, ob es - mit diesem System - überhaupt ein Gesundheitsminister den Ärzten Recht machen kann? Die jahrzehntelange Frustration aufgrund der ständigen Gängelung, Bevormundung, des Kontrollierwahns und der hemmungslosen Schuldzuweisung für eigene Fehler der Politik an die Ärzte haben den Kittel so zerschnitten, dass er m.E. nicht mehr zu flicken ist. An einem Systemwechsel führt wohl kein Weg mehr vorbei.

Dabei werden die Ärzte aber nicht auf die Politik zählen können. Vielmehr tobt eigentlich schon seit 30 Jahren ein "kalter Krieg" zwischen Ärzte und Politik: "Wer schmeißt als erster den Büttel hin"! Die Politk "bekämpft" die Ärzte mit Kosten"dämpfungs"gesetzen seit Mitte der 70er Jahre - die Ärzte haben sich nicht darum gekümmer und diese Gesetze unterlaufen. Seit den 90ern wurde die Politik cleverer und hat Gesetze verabschiedet, die nicht mehr so leicht zu unterlaufen waren - aber es ging noch immer. Inzwischen (seit Schmidt) geht gar nix mehr - dafür gibts jetzt permanent Demo's, "Streik" und Unruhe. Und vor allem bleibt der Nachwuchs aus!

Anders rum: Würden die Ärzte ihre Kassenzulassung abgeben (mal angenommen, das ginge), dann würden sie sich (als der "sozialste" Beruf überhaupt) dem Vorwurf aussetzen, dies sei "unsozial". Heikel, heikel!

Leider, so fürchte ich, wird sich dieses Problem am ehesten über den Nachwuchs und den zu erwarteten Ärztemangel lösen. Mit anderen Worten: Ärzte brauchen ihre Zulassung nicht mehr zurückgeben, es werden keine neuen Kassenärzte nachkommen!

Und was macht die Politik dann mit ihren gesetzlichen Zwangsversicherten? Da, denke ich mal, wird dann sehr schnell ein Gesetz kommen das "die Verantwortung des Versicherten stärkt".

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Mittwoch, 22. September 2010
Hausarzt - nein, danke
Hausarzt - nein, danke. Das sagen deutsche Medizinstudenten zu ihren Berufswünschen! Laut jüngster Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Medizinischem Fakultätentag und der Uni Trier können sich 75 % der Studenten eine Facharzt-Tätigkeit vorstellen. Aber als Hausarzt, möglichst noch auf dem Land, mit Arbeit und Bürokratie überlastet, von Regressen verfolgt, niedrige Honorare, schlechte soziale Rahmenbedingungen - nee! Nicht mit uns!

Interessanterweise wird auch die Allein-Arbeit abgelehnt (im großen Gegensatz zu früher). Klinik und MVZ's, als Möglichkeit zur Teamarbeit, zu größerer Flexibilität, besserem kollegialen Austausch und Zusammenarbeit stehen weit oben in den Arbeitsplatz-Vorstellungen. Insofern sollte dies auch ein Signal an die Berufsverbände sein, endlich ihre ablehnende Haltung gegenüber den MVZ's zu überdenken, bzw. auf die tatsächlichen (begründeten) Gegenargumente zu konzentrieren, um hier den Wildwuch zu beseitigen.

Die Gehaltsvorstellungen der heutigen Medizinstudenten liegen im Niveau anderer akademischer Berufe - und damit deutlich höher als der derzeitige Ist-Zustand. Das wird dazu führen, dass - sollte hier nicht bald drastische Verbesserungen eintreten - zukünftig ein noch größerer Anteil der heute hochmotivierten und -qualifizierten Medizin-Absolventen doch in's Ausland abwandert.

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Donnerstag, 2. September 2010
Sozialgericht bezeichnet Pflegenoten als "Täuschung" der Verbraucher
Das Sozialgericht Münster hat in einem kürzlich ergangenen Urteil die Veröffentlichung der Transparenzberichte über Pflegeheime im Internet als rechtswidrig bezeichnet: "Die abqualifizierende Bewertung der Pflegequalität durch Pflegenoten führe die Verbraucher in die Irre... ", Sprungrevision zum BSG wurde zugelassen.

Im Wesentlichen bemängelt das Gericht, dass die in der "Pflege-Transparenzvereinbarung stationär" beschriebenen Beurteilungskriterien nicht geeignet seien, die von Pflegeheimen erbrachten Leistungen und ihre Qualität zu beurteilen. Das gelte vor allem für die Ergebnis- und Lebensqualität (nur 2 von 64 Fragen beziehen sich darauf). Insbesondere bemängelt das Gericht, dass die Pflegenoten vor allem die Qualität der Dokumentation, nicht hingegen das Ergebnis der pflegerischen Bemühungen beurteilen. "Die Systematik der Bewertung ist verfehlt, die Ermittlung der Pflegenoten für den Leser nicht nachvollziehbar" und "Die Transpartenzberichte täuschen die Verbraucher".

Hoffentlich ist diese mutige und klare Entscheidung gegen die Selbstbeweihräucherung bürokratischen Kontrollier-Wahns nicht nur eine Eintagsfliege, sondern der Auftakt zur Besinnung über die zunehmende Bürokratisierung der Pflege und der gesamten Medizin in Richtung Ergebnis-irrelevanter, aber bürokratisch gut messbarer Kriterien.

Das sollen sich vielleicht auch die Kassen-Oberen bezüglich Ärzte- und Krankenhaus-Bewertungs-Suchmaschinen genau durchlesen!

P.s.: der Focus hat vor vielen Jahren seine erste Aufstellung der "100 besten Ärzte Deutschlands" an der Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen festgemacht!

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Dienstag, 24. August 2010
Rechtspflege oder Show-Justiz?
18-köpfige Sonderkommission der Staatsanwaltschaft ermittelt in Mainz ob und ggf. wer strafrechtlich Schuld hat am Tod der armen Babys. Wohlgemerkt hier geht es nicht um Aufklärung von hygienischen oder pharmatechnischen Mängeln, damit zukünftig Fehler vermieden werden können. Nein, hier geht es nur um das Strafrecht!

Wenn man dagegen die personelle Besetzung der Abteilungen für Wirtschaftskriminalität oder Steuerhinterziehung sieht....

Da hat man schon das Gefühl, der Staat, und insbesondere die Justiz, habe völlig Maß und Ziel verloren! Wenn's um andere Leute bestrafen geht, dann ist man - mit allen staatlichen Mitteln - zur Stelle. Wenn's aber um Vermeidung von Schäden für den Staat geht, ach, das ist nicht so wichtig!

Da hat man schon den schalen Geschmack, dass hier der tragische Tod der Babys zur Justiz-Show mißbraucht wird!

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Mittwoch, 18. August 2010
Mal wieder: Arztrechnung
Alle Jahre wieder erhebt irgend jemand (diesmal der KVB-Chef Köhler) die Forderung nach Arztrechnungen, also, dass der Patient nach seinem Arztbesuch eine "Rechnung" erhält, was der Arzt bei ihm (nach Gebührenordnung) gemacht hat und wieviel er dafür bekommt.

Auch wenn dies ein weiterer - sicher unbezahlter - Arbeitsaufwand wäre und auch wenn dies, wie einige Ärztevertreter schon moniert haben, ein absoluter Affront gegen schwer kranke Patienten wäre, wenn man ihnen vorechnete, "wieviel sie kosten" - die meisten Ärzte hätten gar nichts dagegen. Da erführen die Patienten endlich, wie wenig wir für unsere Leistungen bekommen.

Aber es geht halt nicht:
- weil wir viele Leistungen nur im Komplex bekommen
- weil viele Leistungen entsprechend der insgesamt erbrachten Menge abgestaffelt werden
- weil erst 8 Monate später feststeht, was wir denn eigentlich bekommen (nach Berechnung, Prüfung, Abzug aller Kürzungen und "Berichtigungen" und der danach erfolgten Punktwert-Berechnung, der Bewertung der Auslastung von Budgets und - nach allem - der betroffene Blick auf das vorhandene Geld und die dann nötige End-Anpassung, sprich Punktwert- oder Budget-Absenkung)

Was also bitte sollen wir den Patienten sagen, wieviel wir bekommen? Würde man die im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) enthaltenen Punkt auflisten und sie mit dem Richt-Punktwert multiplizieren, ergäbe sich ein Betrag, der mit Sicherheit 50- 80% über dem tatsächlich (über alle Patienten und alle Leistungen) ausbezahlten Betrag liegt.

Und warum - bitte - fordert eigentlich niemand, dass die Kassen ihre Verwaltungskosten ihren Versicherten gegenüber ebenso offenlegen müssen?

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Montag, 9. August 2010
Wieviel Krankenkasse darf's denn sein?
Einen wunderschönen Artikel hat Stationäre Aufnahme in der Frankfurter Rundschau gefunden.

Weil - auch von Ärzteseite - seit Jahren eine deutliche Reduktion der Krankenkassen gefordert wird, hier mal die ziemlich bedenkenswerten Gegenargumente.

In Wirklichkeit ist die Anzahl der Krankenkassen (sicher, Minikassen, die als Versicherung gar nicht lebensfähig sind, sollte es nicht geben) ja gar nicht das Therma, sondern die Kosten ihrer aufgeblähten und selbstbedienerischen Verwaltung incl. der Vorstände! Hier sollte m.E. schon lange das Gesundheitsministerium eingreifen und Rahmenbedingungen schaffen. Warum z.B. nicht die "Verwaltungshöchstkosten pro Versichetem" gesetzlich limitieren und dann die Kassen an den Gesundheitskosten-Defiziten genauso "beteiligen" wie Ärzte, Pharmaindustrie und Patienten?

Siehe hierzu auch den Artikel
"GKV = Gesetzliche Kranken-Verwaltung"
vom 20. Juli 2010

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