Dienstag, 24. August 2010
Rechtspflege oder Show-Justiz?
18-köpfige Sonderkommission der Staatsanwaltschaft ermittelt in Mainz ob und ggf. wer strafrechtlich Schuld hat am Tod der armen Babys. Wohlgemerkt hier geht es nicht um Aufklärung von hygienischen oder pharmatechnischen Mängeln, damit zukünftig Fehler vermieden werden können. Nein, hier geht es nur um das Strafrecht!

Wenn man dagegen die personelle Besetzung der Abteilungen für Wirtschaftskriminalität oder Steuerhinterziehung sieht....

Da hat man schon das Gefühl, der Staat, und insbesondere die Justiz, habe völlig Maß und Ziel verloren! Wenn's um andere Leute bestrafen geht, dann ist man - mit allen staatlichen Mitteln - zur Stelle. Wenn's aber um Vermeidung von Schäden für den Staat geht, ach, das ist nicht so wichtig!

Da hat man schon den schalen Geschmack, dass hier der tragische Tod der Babys zur Justiz-Show mißbraucht wird!

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Ärzte sind keine Verbrecher!
Das Thema mit den 3 verstorbenen Kindern ist keines für den Staatsanwalt. Auch wenn alle Gefühle zum Himmel schreien. Den Tod des nächsten Kindes zu verhindern ist das einzig legitime Ziel. Nichts anderes. Ich will hier deswegen meine Antwort auf Medizynicus Blog zum Thema “Indiviuelles menschliches Versagen” anfügen. Das mag alles etwas radikal klingen aber ich bin überzeugt von der Richtigkeit meiner Forderung.

Was fällt dem Assistenzarzt ein, wenn er einen Fehler machte? Die Rahmenbedingungen, die ungünstig auf ihn einwirkten. (= Versuch die Schuldlast umzuleiten auf den Rahmen). Was fällt dem verständnisvollen Patienten ein, wie Blogwesen? Rahmenbedingungen! Frage: wäre bei idealen Rahmenbedingungen eine Fehlerquote von 0 zu erreichen? Antwort NEIN! Die Fehlerquote wäre nur zu senken. Wenn aber immer ein Fehler auftreten MUSS, dann heißt das, realistisch gesehen ist Schaden nicht vermeidbar, sondern nur reduzierbar.
Jeder der ins Auto steigt muss akzeptieren, dass er ein Risiko eingeht.
Jeder der in ärztliche Behandlung kommt, muss akzeptieren, dass er ein Risiko eingeht.
Ich bin überzeugt davon, dass der bisher beschrittene Weg ein schrecklicher Irrweg war, Ärzte zu kriminalisieren in dem man das Strafrecht und Zivilrecht einsetzt, wenn ein Schaden entstanden war. Diese Pseudologik befriedigt die verständliche (fehlgeleitete) Trauer und Wut der Betroffenen durch rituelles “Schlachten” des Arztes.
Wenn das Ziel sein soll: Optimales REDUZIEREN der Schäden in der Medizin, dann muss diese Pseudologik auf den Seziertisch! ALLES was Schäden reduziert muss genutzt werden.
Und dann wird es interessant. Beispiel Industrie. Was wird in der Industrie getan um Fehler zu vermeiden? Strafen? Sanktionen? Nein, Fehlerkultur ist die Antwort. Durch systematische Fehleranalyse kommt man zur Klärung der Ursache. Hier würden dann diese scheußlichen Rahmenbedingungen wie in obigem Fall konsequent adressiert werden. Fehlerkultur strebt Offenlegen aller Details eines Fehlers an. ALLER Details. Man würde zB die Transfusion von Konserven mit der verpflichtenden Anwesenheit zweier Menschen verbinden, Pflegepersonal und Arzt. Man würde beide einen Laufzettel abzeichnen lassen, falls, ja falls hier wirklich ein nennenswertes Problem vorläge.

Natürlich kann man den Tod eines Menschen immer als den GAU bezeichnen aber sein wir doch mal ehrlich hier, wer schert sich um die 4 Tausend Verkehrstoten jedes Jahr in Deutschland? Dieser grausame Blutzoll wird komplett verdrängt. Da wird einem schnell klar welche Doppelmoral in der Beschreibung der Klinik-Todesfälle vorherrscht. Also auch die Häufigkeit von Todesfällen ist ein Kriterium!
Worauf ich raus will: Fehlerkultur ist erheblich effizienter als die “russische Methode”. Im Russland der UdSSR-Zeiten wurde für jeden publizistisch unangenehmen Schadensfall ein “Verantwortlicher” geschasst, in den Gulag oder sonst eine Versenkung verbannt. So etwas war ein sicheres Rezept für die Wiederholung eines Fehlers.
Das Strafrecht ist genauso wertlos wie der Gulag.
Krankenhäuser aber, die eine offene Fehlerkultur pflegen würden, die wären nach meinem System von strafrechtlichen Verfolgungen ausgeschlossen. Ja wirklich. Denn erst dadurch würden alle Beteiligten offen über die Ursachen des Fehlers reden wollen. Erst wenn die Strafe wegfällt kann ein klinikinternes Fehlermanagement erfolgreich werden. Audits und Supervisionen wären ehrlich. Fehler würden als Schlüssel zur Verbesserung erkannt werden.
Was steht dem entgegen? Das primitive Rachebedürfnis der Medienkonsumenten.

Meine Forderung: Rationale Fehlerkultur bei Straflosigkeit in der Medizin. (Motivierte Kriminalität natürlich ausgeschlossen).

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