Mittwoch, 2. Juni 2010
nochmal Arztkontakt-Häufigkeit
Was unsere scheinheiligen Ärztekritiker bei der beklagten Arzt-Patienten-Kontakt-Häufigkeit von 18/Jahr (gegenüber 3-6 in anderen Ländern) natürlich auch verschwiegen haben:

- Berufstätige "müssen" in Deutschland zum Arzt gehen, wenn sie mal ein paarTage zuhause bleiben wollen. Egal ob schwer krank oder einfach nur überfordert, wer nicht am Arbeitsplatz erscheint muss dafür eine ärztliche Dispens vorlegen.

- für Schüler gilt das inzwischen ebenso: wer im Unterricht hustet (und damit stört) wird zum Arzt geschickt; wer sich im Sportunterricht das Bein vertreten hat, wird zum Arzt geschickt; wer Läuse mitbringt wird zum Arzt geschickt; u.s.w. schon alleine wegen der zwar unberechtigt, aber dennoch (unter Androhung von Sanktionen) ultimativ geforderten ärztlichen Bescheinigung. Und inzwischen muss SchülerIn dann auch noch ein zweites Mal zum Doktor für die Bescheinigung, dass er/sie wieder gesund ist!

- das gleiche gilt für Kindergärten: wer fehlt braucht ärztliches Attest für Krankheit (wegen der Kostenbefreiung) und ein zweites für Gesundheit!

- Wiederholungsrezepte (wie z.B. in der Schweiz - siehe PharMama) gibts in Deutschland nicht -> mindestens alle 100 Tbl ist also Arztbesuch angesagt = 4-12 Arztkontakte, wo in der Schweiz einer reicht!

- Dauerverordnungen für Windel (Pflegepatienten) und Verbandsmaterial gelten nur für 1 Quartal, also mindestens 4 Praxisbesuche (von Angehörigen) pro Jahr.

- Massagen, Krankengymnastik u.s.w. dürfen auf 1 Rezept nur maximal 3 - 6x, Ergotherapie, Logopädie maximal 10 x verordnet werden, wenn's nicht gereicht hat (tut's selten): Wiedervorstellung beim Arzt!

- wegen massiver Budget-Beschränkung der Fachärzte müssen Medikamente, Heil- und Hilfsmittel nach dem Facharztbesuch oft (in einem weiteren Arztbesuch) vom Hausarzt verordnet werden = 1 Arztkontakt zusätzlich!

- politisch gewünschte Vorsorgeuntersuchungen beinhalten immer Labor-(also aushäusige)Untersuchungen -> also mindestens 2 mal zum Doc.

- ach ja, und die "kleine Chirurgie", die der Allgemeinarzt früher selbst gemacht hat, ist aus Hygienegründen auch nicht mehr zulässig, also: ab zum Chirurgen oder ins Krankenhaus. Röntgen beim Hausarzt ist aus Strahlenschutzgründen und wegen der Qualitäääät auch nicht mehr zulässig -> dito und noch een druff.

- früher hat der Hausarzt bei den alten Pinkel-Opa's den Katheter gewechselt. Jetzt kann nur noch der Urologe das Verbrauchsmaterial als Praxisbedarf abrechnen. Quintessenz: jetzt kommt der Urologe zusätzlich zum Hausbesuch, wo ich das früher beim Routinehausbesuch nebenbei mitgemacht habe (erwartet hier ein bauernschlauer KK-Mensch, dass ich das Geld auch noch mitbringe?)!

- und dann sind da noch die vielen kleinen Leistungen wie Ohrenspülen, Warzen entfernen, u.s.w., die in den Pauschalen untergegangen, dort aber nie wieder aufgetaucht sind. Die macht jetzt der entsprechende Facharzt - natürlich absolut qualitätsgesichert - bei einem weiteren Arzt-Kontakt!

Man könnte noch vieles weiteres anführen, das mit den Ärzten gar nichts zu tun hat, sondern mit dem Mißtrauen der Politk und der Kassen gegenüber den Ärzten! Aber seine eigene Schuld und Mitverantwortung gibt man ungerne zu. Dann doch besser mit dem übergroß aufgeplusterten Moral-Zeigefinger auf andere deuten!

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So in der Summe ist das ja grausam.....
Schicken Sie doch die Zusammenstellung an ZEIT, Spiegel und das Ministerium.

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Habe Anfang der 90er Jahre eine 70-seitige Zusammenstellung über die Zustände unseres Gesundheitssystems gemacht und sie - zusammen mit 400 (!) Unterschriften von anderen niedergelassenen Ärzten - an die deutsche Tagespresse und Fernsehen geschickt: 3x "wissen wir doch alles" (haben aber fleißig das Gegenteil verbreitet) und 1x (ZDF) "wenn's soweit ist, dann melden sie sich bitte wieder". Inzwischen ist's soweit und das ZDF berichtet darüber.

Am Sonntag im ARD-Pressespiegel hat eine Journalistin (allerdings bezogen auf die Staatsverschuldung) gemeint, ob nicht auch die Presse ein gerüttelt Maß an Mitschuld trägt, sie habe die Politik ja immer vor sich her getrieben?
Bei Licht besehen soll dies wohl bedeuten: die Presse treibt die Politik und die Politik treibt die Presse!

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Lieber Landarsch...
hier hast du gleich mehrere Nägel auf den berühmten Kopf getroffen. Vielleicht sollten wir bloggenden Ärzte mal an die Macht :=)
Gruß
Der andere Hausarzt

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Ein verlogener Mist ist das...
was uns die Kassen da unterstellen, wenn diese Kontaktzahlen im Klageweibdiskant geplärrt werden. Als würden wir die Patienten unnötig oft einbestellen. Und dann wird noch zusätzlich genüsslich die Behauptung daran-denunziert, in D würde die Qualität der Medizin diesen Aufwand nicht rechtfertigen.

Jeder der Punkte ist richtig, der oben von Ihnen aufgezählt wurde. Jeder!

Eine Alltagskleinigkeit vielleicht noch: Ich finde es eine Unverschämtheit, von Lehrern als Schülerpolizei missbraucht zu werden. In der Schulordnung in BW steht nämlich, dass nur bei begründetem Verdacht auf Vernachlässigung der Schulpflicht ein Attest ( auch vom Gesundheitsamt) verpflichtend sei. Ich schreibe dann den Lehrern ( mittels Textbaustein) dass diese Untersuchung eine ärztlich gutachterliche Tätigkeit sei und wenn der Lehrer sie in Auftrag gegeben habe, er für die entstandenen Kosten ebenfalls zuständig sein könnte. Außerdem halte ich es für seine pädagogische Aufgabe, solche Dinge mit den Eltern des Schülers zu klären... Auf diese Weise bring ich wenigstens meine Wut unter.
K.Lischka, Kreativarzt

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Auch ich kann mit Vordruck ...
Nach einem frustranen Versuch beim örtlichen Schulrektor was zu erreichen, habe ich mir den angefügten Vordruck gemacht (kann runtergeladen werden) und dabei den Auszug aus der Schulordnung (bzw. hier in Brandenburg aus dem vergleichbaren Text im Amtsblatt) auf die Rückseite gedruckt. Damit weiß jeder Lehrer, dass der Schüler weis, dass ....

Formular für Schulbescheinigung, vorderseite
- Vorderseite -

Formular für Schulbescheinigung, Rückseiteseite
- Rückseite -

Dieser Text ist in allen Bundesländern für alle "pflichtigen" Schultypen im wesentlichen gleich und steht in der jeweiligen Schulordnung oder in entsprechenden Veröffentlichungen im Amtsblatt (aus dem Internet zu finden). Für Baden-Württemberg ist dies z.B. hier abgelegt!

Übrigens: gestern war eine 28-jährige Umschülerin da, die ein ärztliches Attest brauchte, damit sie - wegen Periodenbeschwerden - in der Berufsschule einmalig nicht am Sportunterricht teilnehmen musste!!!!! Ansonsten würde ihr kein Zeugnis ausgehändigt werden!

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Pädagogische Totalverweigerung
Danke für die schönen Links!
Wenn ich mir dann ansehe, wie der Pädagoge mittags vor der Praxis vorbeischlurft um sein Tagewerk zu beschließen, während ich die Labore durchseh, Telefonate abwickel und dann zum Hausbesuch lostrabe, dann, ja dann denke ich an dessen 15 Wochen Ferien und seinen Unwillen, seine wenigen Fortbildungen in diese "unterrichtsfreie Zeit" zu legen. Man kann ja den Unterricht noch mal zusätzlich ausfallen lassen. Und als Sahneklecks, dann noch den Arzt als Disziplinierer für seine Schüler einsetzen!
Ich denke, wenn Lehrer so arbeiten müßten wie Ärzte, hätten wir das 3-fache Arbeitsvolumen für unser Bildungssystem zur Verfügung. Da schlummert der Schatz der Niebelungen. Genauso unhebbar.

K.Lischka/Kreativarzt

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Urologen machen Hausbesuche?
Ja wo gibts das denn noch? Schöne alte Zeit! Heute wird Patient (üblicherweise Dachkammer, mindestens 100 Kilo) vom Krankentransport die Treppen runtergeschleift, ins Auto gewuchtet, zur Uro-Praxis oder in die KH-Ambulanz gefahren (dort bequemt sich der Urologe (und/oder Uro-Pfleger) dann ins Auto, der Katheter wird gewechselt, der Patient wird zurückgeschockelt und wieder in den dritten Stock geschleift. Vorzugsweise gibt es diese Einsätze dann natürlich nicht nur geplant, sondern gerne auch nachts um drei, weil der Katheter ja seit zwei Tagen zu ist. Dann fährt man automatisch gleich mal ein paar Kilometer mehr bis ins nächste Haus des maximalen Chaos, da es ja nur dort ein 24h Ambulanz gibt. Bereitschaftsdienst? Dafür sind die Wasserspieler nicht zu haben (was nicht heißen soll, dass ich irgendeine Ahnung hätte, wie Bereitschaftsdienste vergütet werden würden). Die zwei Krankentransporte (hin und wieder heim!) kosten dann ja auch nur so zwischen 130 und 600 Euronen - bestimmt sparen die Kassen eine Menge...

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