Dienstag, 8. September 2009
Kap.2: Sozialgesetze
Seit dem ausgehenden 19.Jahrhundert gibt es in Deutschland die Sozialgesetze: Kranken- (1883), Unfall- (1884) und Renten-Versicherung (1889). Der deutsche Reichskanzler, erzkonservative preussische Landjunker und letzte große Macchiavellist Otto v.Bismarck hat damit aber keineswegs eine nicht vorhandene soziale Ader entdeckt!

Vielmehr erkannten die deutschen Großunternehmen mit Aufkommen der Industrialisierung haben, dass der Arbeiter, der an einer Maschine ausgebildet ist, für die Produktion ebenso wichtig war, wie die Maschine selbst: Steht die Maschine, wird nix produziert, ist der Arbeiter krank (oder verunfallt, oder er streikt), dann wird auch nix produziert.

Aus diesem Grund haben die Großfirmen (Krupp, Hösch, Thyssen, Siemens ... ) angefangen, für ihre Arbeiter "soziale Einrichtungen" zu schaffen: eine Krankenversicherung, damit der Paul möglichst schnell wieder an der Maschine war, eine Unfallversicherung, damit er (z.B. im Bergbau) ein größeres Risiko einzugehen bereit war (normalerweise hingen an einem Arbeiter 10 bis 15 Familienangehörige, die - wenn der Ernährer ausfiel - nichts zu beißen hatten), und eine Rentenversicherung, damit er sich von dem erarbeiteten Geld auch was leisten konnte und nicht alles - "für's Alter" - auf die hohe Kante legen musste (z. B. ein schickes Bergarbeiterhäuschen in der Fabriksiedlung, damit er auch nicht mehr 2 Stunden zur Arbeit laufen musste). Daneben gabs dann auch noch Animation (Bergarbeiterchöre und - kapellen, schicke Uniformen mit Federbüschen, firmen-gesponsterte Kanarienvogel-Zuchtvereine u.s.w.) - kurz, die "gelernten" Arbeiter der Großindustrie waren fein raus - und die Firma verdiente sogar noch daran!

1865 rum erschienen dann die Vertreter der deutschen Mittelstandsfirmen bei Bismarck und beschwerten sich, dass ihnen die Großindurstrie alle "guten" Arbeiter wegkaufe, der Mittelstand aber - das Rückgrat der Nation - nicht in der Lage sei, da mitzuhalten.

Bismarck kam nun auf die clevere Idee, dieses Problem mit allgemeinverbindlichen (aber natürlich nur für die Industriearbeiter geltenden) "Sozialversicherungen" anzupacken, und das Risiko gleich noch auf die nächste Generation zu verlagern.

Unter "Generationenvertrag" versteht man eigentlich nur die jahrtausende alte menschliche Verhaltensweise, dass Eltern Kinder in die Welt setzen und "ausbilden" und diese dann im Alter ihre Eltern versorgen - quasi als natürliche Altersversorgung. Davon, dass sich manche dabei ausklinken und auf Kosten anderer abgesichert sind, steht nix drin - und davon, dass eine Verwaltungsbürokratie dies wichtigtuerisch "beaufsichtigen" muss und bestens davon lebt, steht auch nix im Generationenvertrag!

Der erste Teil dieses Vertrags wurde dann auch sehr schnell vergessen: die durchschnittliche Kinderzahl einer Familie ging durch die Industrialisierung innerhalb weniger Jahre von 14 auf 2-3 zurück! Die Anzahl der Krankenkassenangestellten stieg hingegen rapide! Der zweite Teil macht uns heute - dank der zunehmenden Lebenserwartung - immer mehr zu schaffen: 1890 lebte der durchschnittliche Arbeiter (der die Rente erreicht hatte! Viele starben natürlich schon vorher!) noch 8 Monate! Heute lebt der durschnittliche Versicherte noch über 20 Jahre!

Zu Bismarcks Zeiten waren gerade einmal 14% der deutschen Berufstätigen in der gesetzlichen Krankenversicherung (AOK), ein ebenso großer Teil war weiterhin in den fortbestehenden Betriebskrankenkassen, daneben ebenfalls ein Teil in den Arbeiter-Ersatzkassen (ganz normale "Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit", die es seit 1846 gab). Der Rest war nicht versichert: keine Handwerker (die Innungskassen gab's erst nach dem 2. Weltkrieg), keine Bauern (die "Knechtekasse" gab's seit dem 3.Reich, die Bauern wurden aber erst 1970 dahinein zwangsverpflichtet), und vor allem: keine Familienangehörigen!!! Die kamen auch erst im 3.Reich dazu.

Dass die "Sozialversicherungen" ausschließlich als Produktivitäts-Versicherungen gedacht waren lässt sich auch daran ablesen, dass die Beiträge zur Krankenversicherung im ersten Entwurf zu 100% vom Arbeitgeber gezahlt werden sollten. Erst der Einspruch der aufkeimenden Sozialdemokratie bewirkte, dass in der Urform der Versicherte 10% selbst zahlen "durfte" und dabei ein Mitsprache-Recht (in den "Sozialbeiräten der Krankenversicherungen") erhielt. Damit konnten entsprechende Versichertenvertreter verhindern, dass die Kranken nur möglichst schnell wieder arbeitsfähig gemacht wurden (ohne eigentlich geheilt zu sein). Bei der Unfall-Versicherung zahlt ja heute noch ausschließlich der Arbeitgeber die Beiträge zur Berufsgenossenschaft!

Im Laufe der Jahre ist der Beitragsanteil dann auf inzwischen 50% gestiegen (aber selbst nach dem 2. Weltkrieg lag er noch bei 46%).

Auch der Prozentsatz der versicherten Bevölkerung ist im Laufe der Jahre ständig gestiegen, von Anfangs (s.o.) 14% auf inzwischen - wenn man die Privatversicherten ausklammert - alle Bundesbürger unter der Beitragsbemessungsgrenze! Und selbst die Privatversicherten sollen, was man so hört, auch noch gleichgeschaltet werden.

So hat sich im Laufe von 127 Jahren aus einer kleinen Produktivitätsversicherung eine allgemeine Krankenversicherung für die gesamte deutsche Bevölkerung entwickelt. Eigentlich gut, sollte man meinen.

Aber im Gegensatz zu den kleinen Selbsthilfe-Vereinen (als was nicht nur die BEK, sondern eigentlich auch die AOK's mal begonnen haben), die ihre Mitglieder (ob faul, fleißig, arbeitsscheu oder wehleidig) gut überblicken und ggf gegensteueren konnten (z.B."aussteuern" = rausschmeißen), haben wir jetzt jetzt eine Superbürokratie, die sich mehr auf die formaljuristische Umsetzung gleichmacherischer Gesetze konzentriert, als auf die individuelle Finanzierung für die individuelle Behandlung individuell kranker Menschen.

Außerdem weckt die gesetzliche Krankenversicherung mit ihrem Gesamtvolumen von über 200 Milliarden €uro soviele Begehrlichkeiten bei der Politik, dass sich die Politik schon lange - obwohl es sich eigentlich um eine reine Zwangsversicherung handelt wie z.B. die Kfz-Haftpflicht-Versicherung auch - ständig einmischt und an den Geldhebeln herumdreht.

Deutschland ist - laut Grundgesetz - ein "Sozialstaat". Die Sozialgesetze gelten aber - im Gegensatz zu allen anderen deutschen Gesetzen - nur für die zwangsweise betroffenen (wer unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt). Wäre Deutschland wirklich ein Sozialstaat, so müssten die Beiträge für die geseztliche Krankenversicherung von Allen per Steuern erhoben werden und die Leistungen für Alle gelten, vom Arbeitslosen bis zum "Millionär", für Berufstätige ebenso wie für Privatiers, die von ihrem Bank-, Aktien- oder Vermietungs-/Verpachtungs-Einkommen leben. Dann müssten die Politiker dafür auch die Verantwortung übernehmen, was sie jetzt nicht tun!

Im deutschen Sozialstaat heutiger Prägung gilt dagegen: die Armen unterstützen sich gegenseitig, und die Reichen genießen ihr Leben. (Wenn die Reichen dann abstürzen, zählen sie zu den Armen und müssen von den anderen Armen unterstütz werden).

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