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Mittwoch, 23. September 2009
Kap.4: das ärztliche Honorar (Vorbemerkungen)
der landarsch, 14:21h
Hat der Mensch - im Normalfall unseres Lebens - ein Bedürfnis, das er nicht selbst lösen kann, bedient er sich dazu einer Hilfsperson, die ihm a) Zeit, b) Wissen und Fähigkeiten und c) Werkzeug und Maschinen
zur Verfügung stellt. Dafür berechnet diese Person einen Preis, denn sie muß von dieser Tätigkeit ihre eigene Lebenskosten bestreiten (a), auch die Zeit und die Kosten der Aus- und Weiterbildung davon finanzieren (b) und die Anschaffungskosten für Werkzeug und Maschinen erwirtschaften (c).
Dieser Preis kann natürlich die Leistungsfähigkeit des Kunden übersteigen. Und so muss sich der Kunde bei jeder Kauf- oder Auftragserteilungs-Entscheidung die Frage stellen, ob er sich den Preis überhaupt leisten kann und ob ihm der Preis das Ergebnis wert ist.
Im Gesundheitsbereich ist die Sache leider nicht so klar: man lebt nur einmal (außer man heißt James Bond) und viele ärztliche Untersuchungen oder Therapieen sind so teuer, dass es sich nicht jeder leisten kann. Die Konsequenz wäre: leiden oder sterben. Das widerspricht aber unseren heutigen Wertvorstellungen.
Ein weiterer Fakt ist, dass der Mensch ja auch Teil des Staates, seiner Produktivität, seiner sozialen Verantwortung etc. ist. Also hat auch der Staat ein Interesse, dass der Bürger (im umfassenden Sinn) "gesund" und damit seinerseits "produktiv" ist.
Neben den oben genannten 3 Preisgrundlagen hat sich in der Marktwirtschaft als viertes noch der "Gewinn" hinzugesellt, also der Preisaufschlag, den der Anbieter noch draufsetzen kann bis der Kunde das Interesse verliert. Wenn das Interesse (wie bei Gesundheit) nahezu unbegrenzt ist, wird die Sache problematisch: der Anbieter könnte theoretisch jeden Preis verlangen. Daher ist der Staat daran interessiert, diese Entwicklung zu unterbinden. Einer dieser Lösungsansätze ist z.B., dass im gesamten Gesundheitsbereich (auch im Privatbereich) kein "Unternehmensgewinn" vorgesehen ist. Deshalb behält sich der Staat einen direkten Zugriff auf die ärztliche Honorar-Systematik vor, z.B. in dem er eine "Gebührenordnung für Ärzte" GOÄ erlässt (siehe Kap. 4.a) oder indem er (über Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen) eine Kassen-Gebührenordnung ("Einheitlicher Bewertungsmaßstab" EBM) erarbeiten lässt und diese ebenfalls der staatlichen Aufsicht unterstellt.
Die wesentliche Frage ist jedoch, wie soll ärztliche Leistung bezahlt werden.
Das eine Extrem ist die "Einzelleistungsvergütung", d.h. jede Leistung (z.B. eine Operation, ein Verband, eine Blutuntersuchung) wird einzeln bezahlt. Das bedeutet, dass der Arzt ein Interesse hat, dem Patienten möglichst viele Untersuchungen (seltener, aber auch möglich: Behandlungen) angedeien zu lassen, damit er selbst möglichst viel verdient. Der Patient ist hier zwar optimal versorgt (und hat keineswegs etwas dagegen einzuwenden), aber diese Form der Honorierung ist die gefährlichste, was die Kosten anbelangt für Staat/ges. Krankenkassen oder Privatversicherungswirtschaft als Kostenträger.
Das anderer Extrem ist die "Fall-Pauschale". Hier wird pro Fall, d.h. kranker Patient, nur ein Fixbetrag gezahlt. Der Arzt trägt dabei das volle Krankheitsrisiko seiner Patienten. Hier gewinnt der, der möglichst viel Leicht-Kranke hat. Wer mehrere Schwer(st)-Kranke unter seinen Patienten hat, kann schon fast zumachen. Dagegen ist dies bezgl. der Bezahlung das günstigste für die Kostenträger, da diese ja nur noch pro (krankem) Kopf zahlen müssen.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es mannigfaltige Abstufungen und Variationen, z.B.
-als Kopf-Pauschale ("Capitation" wie in England), wo der Arzt pro eingeschriebenem Versicherten einen bestimmten Betrag erhält und daraus alles, auch die Folgekosten (Krankenhausaufenthalt, Medikamente etc.) bezahlen muss: der Rest ist dann sein Honorar. Nachteile: Patienten werden medikamentös nur sehr sparsam traktiert und Krankenhauseinweisungen sind Seltenheit.
- als Komplexpauschalen, d.h. nicht jeder Handgriff wird bezahlt, sondern eine ganzer (krankheitsorientierter) Komplex. Nachteil: wenn nicht alle vorgeschribenen Inhalte erbracht werden (können) kann gar nichts abgerechnet werden, somit wieder Zunahme der u.U. unnötigen oder unsinnigen Maßnahmen.
- als krankheitsorientierte Pauschale ("Diagnosis related groups" DRG's, wie derzeit in den deutschen Krankenhäusern und in etlichen anderen Ländern der Welt), d.h. für eine bestimmte Krankheit gibt es - over all - einen bestimmten Gesamtbetrag. Nachteil: Nach dem Motto "es gibt keinen gesunden Menschen, nur einen Patienten, der nicht ausreichend untersucht wurde" bzw. "suchet, so werdet ihr finden", werden Krankheiten entdeckt (und abgerechnet), die gar nicht relevant sind. Außerdem das sog. "upcoding", d.h. einfache Krankheiten werden als "Verdacht auf schwere Krankheiten" angesehen, ausdiagnostiziert und abgerechnet (z.B. "leichte Erkältung" als "Verdacht auf Bronchopneumonie").
- daneben kommen noch Budgetierungen aller Art hinzu (Begründung: "der Tag hat auch für den Arzt nur 24 Stunden: wenn er mehr Patienten betreut, hat er für den einzelnen weniger Zeit") nach Menge, Sinhaftigkeit und Leistungsumfang (ein Untersuchungsbefund ändert sich nicht so schnell, also ist diese Untersuchung z.B. nur ein mal im Quartal sinnvoll) oder auch nach staatlichen Steuerungsüberlegungen (bestimmte Untersuchungen sollen nicht so häufig gemacht werden, weil das unnötige Folgekosten verursachen würde, z.B. Knochendichtemessung, Baby-Fernsehen)
- und dann gibt es natürlich noch die Budgetierungen aufgrund staatlicher Zahlungsunfähigkeit/ -unwilligkeit. Die Politik sagt: für den Gesundheitsbereich haben wir im Bruttosozialprodukt nur so und soviel Geld insgesamt zu Verfügung, das andere brauchen wir für Polizei, Militär, Sozialbereich, Beamtenbesoldung, Subventionen, Ernährung, Bekleidung, Verkehr, Kommunikation u.s.w. Also "muss das reichen" - unabhängig davon, was "medizinisch sinnvoll" ist, bzw. was den WANZ-Vorschriften (Wirtschaftlich, Ausreichend, Notwendig, Zweckmäßig) des SGB V entspricht.
Mit anderen Worten, es ist für die Politik gar nicht so leicht, eine gerechte Lösung des ärztlichen Honorar-Problems zu finden. Darüber habe sich schon Dutzende von Sozial-Wissenschaftlern den Kopf zerbrochen. Das Problem ist nur das Rumgeeiere!
Der Arzt muss von seinem Einkommen nicht nur selbst leben, sondern auch seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen (Personallöhne, Bankverbindlichkeiten, Materialverbrauchskosten, u.v.m.). Also brauht er - wie jeder andere Unternehmer auch - verlässliche Daten um die notwendigen Planungen zu machen. Aber diese sind einfach nicht vorhanden und werden obendrein ständig schneller geändert, als man reagieren kann.
Das einzig Verlässliche an unserer derzeitigen Situation ist, dass das gesamte Geld nicht ausreicht, um das zu erbringen und zu honorieren, wozu sich die Ärzte aus dem SGB V verpflichtet fühlen. Andererseits sind die Ärzte nicht bereit, dass ihnen die Politik ihre (der Politik) Kosten-Verantwortung für "das Ganze" hinschiebt und die Juristen gleich hinterherschickt, damit die sich um die ärztliche Verantworlichkeit dem einzelnen Patienten (aus dem SGB V) gegenüber kümmern
Während meiner Studentenzeit in den 70ern lernte ich einen Arzt aus dem hinteren Bayerischen Wald kennen. Dieser berichtete mir glaubhaft, dass er fast keine Kosten für Lebensmittel habe, das würden ihm seine Patienten alles aus Dankbarkeit kostenlos vorbeibringen (incl. der Weihnachtsgans). Diese Zeiten sind lange vorbei. Ich habe außer ein paar Eiern und (derzeit) 1 Zentner Wallnüsse noch nichts wesentliches erhalten (natürlich ein paar kleine Aufmerksamkeiten und Dankeschön's). Meinen Nahrungsbedarf abdecken kann ich damit aber nicht!
zur Verfügung stellt. Dafür berechnet diese Person einen Preis, denn sie muß von dieser Tätigkeit ihre eigene Lebenskosten bestreiten (a), auch die Zeit und die Kosten der Aus- und Weiterbildung davon finanzieren (b) und die Anschaffungskosten für Werkzeug und Maschinen erwirtschaften (c).
Dieser Preis kann natürlich die Leistungsfähigkeit des Kunden übersteigen. Und so muss sich der Kunde bei jeder Kauf- oder Auftragserteilungs-Entscheidung die Frage stellen, ob er sich den Preis überhaupt leisten kann und ob ihm der Preis das Ergebnis wert ist.
Im Gesundheitsbereich ist die Sache leider nicht so klar: man lebt nur einmal (außer man heißt James Bond) und viele ärztliche Untersuchungen oder Therapieen sind so teuer, dass es sich nicht jeder leisten kann. Die Konsequenz wäre: leiden oder sterben. Das widerspricht aber unseren heutigen Wertvorstellungen.
Ein weiterer Fakt ist, dass der Mensch ja auch Teil des Staates, seiner Produktivität, seiner sozialen Verantwortung etc. ist. Also hat auch der Staat ein Interesse, dass der Bürger (im umfassenden Sinn) "gesund" und damit seinerseits "produktiv" ist.
Neben den oben genannten 3 Preisgrundlagen hat sich in der Marktwirtschaft als viertes noch der "Gewinn" hinzugesellt, also der Preisaufschlag, den der Anbieter noch draufsetzen kann bis der Kunde das Interesse verliert. Wenn das Interesse (wie bei Gesundheit) nahezu unbegrenzt ist, wird die Sache problematisch: der Anbieter könnte theoretisch jeden Preis verlangen. Daher ist der Staat daran interessiert, diese Entwicklung zu unterbinden. Einer dieser Lösungsansätze ist z.B., dass im gesamten Gesundheitsbereich (auch im Privatbereich) kein "Unternehmensgewinn" vorgesehen ist. Deshalb behält sich der Staat einen direkten Zugriff auf die ärztliche Honorar-Systematik vor, z.B. in dem er eine "Gebührenordnung für Ärzte" GOÄ erlässt (siehe Kap. 4.a) oder indem er (über Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen) eine Kassen-Gebührenordnung ("Einheitlicher Bewertungsmaßstab" EBM) erarbeiten lässt und diese ebenfalls der staatlichen Aufsicht unterstellt.
Die wesentliche Frage ist jedoch, wie soll ärztliche Leistung bezahlt werden.
Das eine Extrem ist die "Einzelleistungsvergütung", d.h. jede Leistung (z.B. eine Operation, ein Verband, eine Blutuntersuchung) wird einzeln bezahlt. Das bedeutet, dass der Arzt ein Interesse hat, dem Patienten möglichst viele Untersuchungen (seltener, aber auch möglich: Behandlungen) angedeien zu lassen, damit er selbst möglichst viel verdient. Der Patient ist hier zwar optimal versorgt (und hat keineswegs etwas dagegen einzuwenden), aber diese Form der Honorierung ist die gefährlichste, was die Kosten anbelangt für Staat/ges. Krankenkassen oder Privatversicherungswirtschaft als Kostenträger.
Das anderer Extrem ist die "Fall-Pauschale". Hier wird pro Fall, d.h. kranker Patient, nur ein Fixbetrag gezahlt. Der Arzt trägt dabei das volle Krankheitsrisiko seiner Patienten. Hier gewinnt der, der möglichst viel Leicht-Kranke hat. Wer mehrere Schwer(st)-Kranke unter seinen Patienten hat, kann schon fast zumachen. Dagegen ist dies bezgl. der Bezahlung das günstigste für die Kostenträger, da diese ja nur noch pro (krankem) Kopf zahlen müssen.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es mannigfaltige Abstufungen und Variationen, z.B.
-als Kopf-Pauschale ("Capitation" wie in England), wo der Arzt pro eingeschriebenem Versicherten einen bestimmten Betrag erhält und daraus alles, auch die Folgekosten (Krankenhausaufenthalt, Medikamente etc.) bezahlen muss: der Rest ist dann sein Honorar. Nachteile: Patienten werden medikamentös nur sehr sparsam traktiert und Krankenhauseinweisungen sind Seltenheit.
- als Komplexpauschalen, d.h. nicht jeder Handgriff wird bezahlt, sondern eine ganzer (krankheitsorientierter) Komplex. Nachteil: wenn nicht alle vorgeschribenen Inhalte erbracht werden (können) kann gar nichts abgerechnet werden, somit wieder Zunahme der u.U. unnötigen oder unsinnigen Maßnahmen.
- als krankheitsorientierte Pauschale ("Diagnosis related groups" DRG's, wie derzeit in den deutschen Krankenhäusern und in etlichen anderen Ländern der Welt), d.h. für eine bestimmte Krankheit gibt es - over all - einen bestimmten Gesamtbetrag. Nachteil: Nach dem Motto "es gibt keinen gesunden Menschen, nur einen Patienten, der nicht ausreichend untersucht wurde" bzw. "suchet, so werdet ihr finden", werden Krankheiten entdeckt (und abgerechnet), die gar nicht relevant sind. Außerdem das sog. "upcoding", d.h. einfache Krankheiten werden als "Verdacht auf schwere Krankheiten" angesehen, ausdiagnostiziert und abgerechnet (z.B. "leichte Erkältung" als "Verdacht auf Bronchopneumonie").
- daneben kommen noch Budgetierungen aller Art hinzu (Begründung: "der Tag hat auch für den Arzt nur 24 Stunden: wenn er mehr Patienten betreut, hat er für den einzelnen weniger Zeit") nach Menge, Sinhaftigkeit und Leistungsumfang (ein Untersuchungsbefund ändert sich nicht so schnell, also ist diese Untersuchung z.B. nur ein mal im Quartal sinnvoll) oder auch nach staatlichen Steuerungsüberlegungen (bestimmte Untersuchungen sollen nicht so häufig gemacht werden, weil das unnötige Folgekosten verursachen würde, z.B. Knochendichtemessung, Baby-Fernsehen)
- und dann gibt es natürlich noch die Budgetierungen aufgrund staatlicher Zahlungsunfähigkeit/ -unwilligkeit. Die Politik sagt: für den Gesundheitsbereich haben wir im Bruttosozialprodukt nur so und soviel Geld insgesamt zu Verfügung, das andere brauchen wir für Polizei, Militär, Sozialbereich, Beamtenbesoldung, Subventionen, Ernährung, Bekleidung, Verkehr, Kommunikation u.s.w. Also "muss das reichen" - unabhängig davon, was "medizinisch sinnvoll" ist, bzw. was den WANZ-Vorschriften (Wirtschaftlich, Ausreichend, Notwendig, Zweckmäßig) des SGB V entspricht.
Mit anderen Worten, es ist für die Politik gar nicht so leicht, eine gerechte Lösung des ärztlichen Honorar-Problems zu finden. Darüber habe sich schon Dutzende von Sozial-Wissenschaftlern den Kopf zerbrochen. Das Problem ist nur das Rumgeeiere!
Der Arzt muss von seinem Einkommen nicht nur selbst leben, sondern auch seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen (Personallöhne, Bankverbindlichkeiten, Materialverbrauchskosten, u.v.m.). Also brauht er - wie jeder andere Unternehmer auch - verlässliche Daten um die notwendigen Planungen zu machen. Aber diese sind einfach nicht vorhanden und werden obendrein ständig schneller geändert, als man reagieren kann.
Das einzig Verlässliche an unserer derzeitigen Situation ist, dass das gesamte Geld nicht ausreicht, um das zu erbringen und zu honorieren, wozu sich die Ärzte aus dem SGB V verpflichtet fühlen. Andererseits sind die Ärzte nicht bereit, dass ihnen die Politik ihre (der Politik) Kosten-Verantwortung für "das Ganze" hinschiebt und die Juristen gleich hinterherschickt, damit die sich um die ärztliche Verantworlichkeit dem einzelnen Patienten (aus dem SGB V) gegenüber kümmern
Während meiner Studentenzeit in den 70ern lernte ich einen Arzt aus dem hinteren Bayerischen Wald kennen. Dieser berichtete mir glaubhaft, dass er fast keine Kosten für Lebensmittel habe, das würden ihm seine Patienten alles aus Dankbarkeit kostenlos vorbeibringen (incl. der Weihnachtsgans). Diese Zeiten sind lange vorbei. Ich habe außer ein paar Eiern und (derzeit) 1 Zentner Wallnüsse noch nichts wesentliches erhalten (natürlich ein paar kleine Aufmerksamkeiten und Dankeschön's). Meinen Nahrungsbedarf abdecken kann ich damit aber nicht!
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