Donnerstag, 1. Juli 2010
Wofür brauchen Ärzte einen Computer in der Praxis?
Das Arzt-Praxisprogramm darf "Leistungsziffern-Ketten" (wenn für eine bestimmte Tätigkeit mehrere Leistungsziffern abgerechnet werden müssen, z.B. Operation: Narkose, Operation, Verband, oder Abdomensonographie: Oberbauch, Nieren, Unterbauch) nicht automatisch aufschreiben. Könnte ja sein, dass man etwas gar nicht erbracht hat (z.B.Narkose vor der OP).

Das Arzt-Praxisprogramm muss Formulare ausfüllen, die aus der Steinzeit der Bürokratie stammen (Rezept, Überweisungsschein, Krankenhauseinweisung, Transportschein, Laboranforderung und weiterer 36 Formulare!), diese sind alles andere als druckergerecht aufgebaut (soll der Programmierer halt trixen).

Viele Arztformulare sind immer noch Durchschreibsätze, die allenfalls mit dem Steinzeit-Nadeldrucker (Lautstärke ist vorsätzliche Körperverletzung) ausgefüllt werden können! Es gibt zwar die Möglichkeit die Formular selbst vom Computer generieren zu lassen, hat sich aber noch nicht soweit durchgesetzt, dass diese Drucker dann zu einem vernünftigen Preis zu bekommen wären.

Das Arzt-Praxisprogramm darf zukünftig auch keine Dauerdiagnosen mehr automatisch eintragen, denn aufgeführt werden darf zukünftig nur noch, was der Arzt in diesem Quartal behandelt (und das muss jetzt jedes mal neu per Hand eingegeben). Als ob Dauerdiagnosen (Herzinsuffizienz, Diabetes, Athma, Rheuma u.s.w.) nicht sowieso in Permanenz beobachtet werden müssen (selbst wenn nicht jedes Quartal eine Operation oder eine Rundum-Untersuchung fällig ist - könnte daraus ja werden)

Das Arzt-Praxisprogramm ist überhaupt nur für die Kassenmedizin geeignet. Die Rentenversicherungen und Sozialämter (nicht zu vergessen die Leichenschauscheine) schnitzen sich pausenlos ihre Formulare neu, vor allem aber ebenfalls nicht druckergerecht = handschriftlich oder mit der guten alten Schreibmaschine.

Labor-Anforderungsformulare sind nicht Computer-aussfüllbar, damit besteht keine automatische Kontrollmöglichkeit, was bestell, was ausgeführt und was abgerechntet wurde.

Aber:

Abrechnungen müssen auf dem Computer gemacht werden, damit sie (inzwischen ebenfalls Pflicht) online übertragen werden können. Die Abrechnung kommt dann wieder auf Papier (was du schwarz auf weiß besitzt ...).

Zukünftig müssen die Chipkarten online an die Kasse zwecks Überprüfung der Gültigkeit gesandt werden. Was ist aber, wenn der Pat. von seiner (neuen) Kasse noch keine gültige Chipkarte hat (kommt immer mal vor)?

DMP's müssen online an die entsprechenden Stellen eingesandt werden.

Abrechnungen aus Hausarztverträge müssen online an die Kassen gemeldet werden (dafür ist sogar ein eigenes Programm nötig).

Und noch einiges mehr!

Quintessenz: Der Arzt hat weitestgehend nix vom Computer, eher Mehrarbeit. Und was der Computer gerade besonders gut könnte, nämlich Automatisierung, ist explizit verboten. Andererseits bekommen die Kassen aber alle Daten EDV-mäßig aufbereitet. Dafür revanchieren sie sich dann mit hand- oder maschinenschriftlich auszufüllenden Anfragen (z.B. wie lange der Patient denn noch krank sei). Allein daran kann man schon erkennen, wie wichtig ihnen diese Anfagen sind!

Aber die EDV-Kosten bleiben beim Arzt: Anschaffung (je nach Praxisgröße) ~ 10 - 40 K und monatliche (da sitzen bei den Kassen und den KVen in Permanenz tagende Gremien, die ständig alles verändern, neu verschlimmbessern und dafür horrende Sitzungsgelder kassieren. Und die Programmierer der Softwarehäuser dürfen das dann in viel Nachtarbeit und meist kurz vor Quartalsende umsetzen) Software-Wartung zwischen 100 und 2000 €

Ich hab nix gegen Computer, ich arbeite gerne damit. Aber nutzen tut er mir in der Praxis nicht - dabei könnte er doch so vieles erleichtern!

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