Montag, 18. Januar 2010
schleichende Rationierung
der landarsch, 17:29h
Hat sich unser Ober-Doc, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, seines Zeichens Vorsitzender der Bundesärztekammer erst kürzlich wieder lauthals dagegen gewandt, dass den Patienten in den Krankenhäusern und Praxen immer mehr Medikamente und sonstige medizinische Leistungen aus wirtschaftlichen Gründen verweigert werden. Dabei gibt es eine wesentlich hinterhältigere Methode der Verweigerung und Kürzung: Die "Qualitätssicherung"!
Qualität ist notwendig - besonders in der Medizin, keiner sagt etwas dagegen. Doch wer entscheidet eigentlich über "Qualität"? Bisher waren es die Ärztekammern. Aber da hatte Deutschland seine Kompetenzen ja noch nicht nach Brüssel out-ge-sourced!
Seit Brüssel kommen beständig - mehr - Vorschriften, was in einer Arztpraxis alles so aus "Qualitätsgründen" unverzichtbar ist (und anderenfalls nicht gemacht werden darf!).
Da muss z.B. jeder Arzt, der "operieren" will -wobei es völlig wurst ist, ob ich eine Herztransplantation machen will oder eine kleine Rißwunde versorge - einen "Operationsraum" haben, der bis an die Decke gefließt ist (der Boden natürlich auch). Wer's nicht hat darf/kann nicht -> ggf ab zum Chirurgen oder in's Krankenhaus!
Auch ein normaler Seifenspender (Handelsware vom Schlecker) reicht nicht: nein, auch im Sprechzimmer, in dem ich ständig den Leuten die Hand gebe, ihnen ihre verschwitzten und müffelnden Körperteile (es gibt natürlich auch sehr hygienische Mensch, aber die sind wohl in der Minderzahl) abtasten muss, ist ein mit dem Ellenbogen zu betätigender Seifenspender vorgeschrieben! Natürlich wasche ich mir nach der Untersuchung die Pfoten und desinfiziere sie sogar. Aber warum ich den Seifenspender - wie im OP, wo ich zu dieser Zeit schon als "steril" gelte" - nur mit dem Ellenbogen bedienen dürfen soll, entzieht sich meinem Verständnis. Beim nächsten begrüßenden Händedruck ist alles wieder perdu.
Aber es geht weiter: Mein Kühlschrank braucht ein von außen ablesbares elektronisches Minimum-Maximum-Thermometer frü 28 €. Das bisherige mit dem Quecksilberfaden darf's nicht mehr sein!
Alle elektrischen Geräte müssen jährlich auf irgendwelche "Kriechströme" vermessen werden (kostet ja nur ein bißchen Geld). Das sind völlig ungefährliche Ströme im Mikrowatt-Bereich (alles stärkere würde ja sofort mit einem Anbspringen der Sicherung bestraft).
Was irgendetwas "misst", muß regelmäßig geeicht werden (Ausnahme: die Blutdrucker, die Eichämter waren damit überlastet!), ganz egal, was ich hier messe (Ich hab ja nix gegen sinnvolle Kontrolle, schließlich liegt es schon in meinem eigenen Bestreben gute und sinnvolle Arbeit zu machen!).
Die bisher zulässigen (und zuverlässigen) Heißluftsterilisatoren - zu tausenden in den Arztpraxen vorhanden - sind auch nicht mehr erlaubt: jetzt brauchts den 50x so teuren Autoclaven. Außerdem sind die bisher ausreichenden Aufbewahrungsgefäße für sterilisierte Instrumente nicht mehr "sicher": jedes einzelne Instrument muss jetzt in spezielle Folien (kostet halt ein bißchen was) eingeschweißt werden - alles zum Wohl des Patienten (und der Industrie)!
Das kostet alles immer mehr Geld und (Personal-)Arbeitszeit, die von den Kassen nicht vergolten wird. Vielmehr ständige Kürzungen dieser Leistungen, Schlagwort: "wirtschaftliche Erbringung".
Was bleibt also: wenn der (Haus-)Arzt die einfachen Sachen nicht mehr selber machen kann, weil sie unrentabel sind: ab zum Facharzt, ab in's Krankenhaus. Nur dort mag die Leistung vielleicht "wirtschaftlicher" erbracht werden, dafür kommen aber üblicherweise viele Kosten hinzu, die beim Hausarzt nicht angefallen wären!
Und dann noch (Schlau sam'ma scho', mir Bayern!): hat da nicht ein gewisser Herr Seehofer, als er noch Gesundheitsmninister war, die Kostenübernahme für Fahrten zum niedergelassenen Arzt gestrichen? Jetzt kann der Patient selbst schauen, wie er - besonders auf dem Land - zum Facharzt kommt (Nur die Krankenhäuser durften natürlich nicht von den Patientenströmen abgeschnitten werden, die werden schließlich von der Öffentlichen Hand subventioniert!).
Schon 1893 haben die Krankenkassen einen Zusammenhang zwischen den Ärztezahlen und den Behandlunskosten entdeckt: klaro, je leichter ich an kostenlose Gesundheitsleistungen komme, desto eher werd ich sie auch in Anspruch nehmen! Da haben aber die Ärzte nix damit zu tun, sondern die Heilsversprechungen der Politiker und der Krankenkassenfürsten!
Wie kann man aber die Arzt-Patienten-Kontakte reduzieren, ohne die Arztzahlen (per Gesetz) zu begrenzen und ohne den Patienten reinen Wein einzuschenken, ihnen stattdessen zu suggerieren, "die geldgierigen Ärzte" würden für (angeblich) immer mehr Geld immer weniger Leistungen erbringen? Ganz einfach: mit Qualität und ihren Gebühren!
Schlau, schlau ... wenn der Schuss nur nicht irgendwann einmal nach hinten losgeht! In Haiti wären sie momentan sicher sehr froh, wenn sie überhaupt eine Medizin hätten, ob qualitätsgesichert, oder nicht!
Hier auch noch einmal ein Artikel zum selben Thema aus der Zeitschrift "Der Kassenarzt"
Qualität ist notwendig - besonders in der Medizin, keiner sagt etwas dagegen. Doch wer entscheidet eigentlich über "Qualität"? Bisher waren es die Ärztekammern. Aber da hatte Deutschland seine Kompetenzen ja noch nicht nach Brüssel out-ge-sourced!
Seit Brüssel kommen beständig - mehr - Vorschriften, was in einer Arztpraxis alles so aus "Qualitätsgründen" unverzichtbar ist (und anderenfalls nicht gemacht werden darf!).
Da muss z.B. jeder Arzt, der "operieren" will -wobei es völlig wurst ist, ob ich eine Herztransplantation machen will oder eine kleine Rißwunde versorge - einen "Operationsraum" haben, der bis an die Decke gefließt ist (der Boden natürlich auch). Wer's nicht hat darf/kann nicht -> ggf ab zum Chirurgen oder in's Krankenhaus!
Auch ein normaler Seifenspender (Handelsware vom Schlecker) reicht nicht: nein, auch im Sprechzimmer, in dem ich ständig den Leuten die Hand gebe, ihnen ihre verschwitzten und müffelnden Körperteile (es gibt natürlich auch sehr hygienische Mensch, aber die sind wohl in der Minderzahl) abtasten muss, ist ein mit dem Ellenbogen zu betätigender Seifenspender vorgeschrieben! Natürlich wasche ich mir nach der Untersuchung die Pfoten und desinfiziere sie sogar. Aber warum ich den Seifenspender - wie im OP, wo ich zu dieser Zeit schon als "steril" gelte" - nur mit dem Ellenbogen bedienen dürfen soll, entzieht sich meinem Verständnis. Beim nächsten begrüßenden Händedruck ist alles wieder perdu.
Aber es geht weiter: Mein Kühlschrank braucht ein von außen ablesbares elektronisches Minimum-Maximum-Thermometer frü 28 €. Das bisherige mit dem Quecksilberfaden darf's nicht mehr sein!
Alle elektrischen Geräte müssen jährlich auf irgendwelche "Kriechströme" vermessen werden (kostet ja nur ein bißchen Geld). Das sind völlig ungefährliche Ströme im Mikrowatt-Bereich (alles stärkere würde ja sofort mit einem Anbspringen der Sicherung bestraft).
Was irgendetwas "misst", muß regelmäßig geeicht werden (Ausnahme: die Blutdrucker, die Eichämter waren damit überlastet!), ganz egal, was ich hier messe (Ich hab ja nix gegen sinnvolle Kontrolle, schließlich liegt es schon in meinem eigenen Bestreben gute und sinnvolle Arbeit zu machen!).
Die bisher zulässigen (und zuverlässigen) Heißluftsterilisatoren - zu tausenden in den Arztpraxen vorhanden - sind auch nicht mehr erlaubt: jetzt brauchts den 50x so teuren Autoclaven. Außerdem sind die bisher ausreichenden Aufbewahrungsgefäße für sterilisierte Instrumente nicht mehr "sicher": jedes einzelne Instrument muss jetzt in spezielle Folien (kostet halt ein bißchen was) eingeschweißt werden - alles zum Wohl des Patienten (und der Industrie)!
Das kostet alles immer mehr Geld und (Personal-)Arbeitszeit, die von den Kassen nicht vergolten wird. Vielmehr ständige Kürzungen dieser Leistungen, Schlagwort: "wirtschaftliche Erbringung".
Was bleibt also: wenn der (Haus-)Arzt die einfachen Sachen nicht mehr selber machen kann, weil sie unrentabel sind: ab zum Facharzt, ab in's Krankenhaus. Nur dort mag die Leistung vielleicht "wirtschaftlicher" erbracht werden, dafür kommen aber üblicherweise viele Kosten hinzu, die beim Hausarzt nicht angefallen wären!
Und dann noch (Schlau sam'ma scho', mir Bayern!): hat da nicht ein gewisser Herr Seehofer, als er noch Gesundheitsmninister war, die Kostenübernahme für Fahrten zum niedergelassenen Arzt gestrichen? Jetzt kann der Patient selbst schauen, wie er - besonders auf dem Land - zum Facharzt kommt (Nur die Krankenhäuser durften natürlich nicht von den Patientenströmen abgeschnitten werden, die werden schließlich von der Öffentlichen Hand subventioniert!).
Schon 1893 haben die Krankenkassen einen Zusammenhang zwischen den Ärztezahlen und den Behandlunskosten entdeckt: klaro, je leichter ich an kostenlose Gesundheitsleistungen komme, desto eher werd ich sie auch in Anspruch nehmen! Da haben aber die Ärzte nix damit zu tun, sondern die Heilsversprechungen der Politiker und der Krankenkassenfürsten!
Wie kann man aber die Arzt-Patienten-Kontakte reduzieren, ohne die Arztzahlen (per Gesetz) zu begrenzen und ohne den Patienten reinen Wein einzuschenken, ihnen stattdessen zu suggerieren, "die geldgierigen Ärzte" würden für (angeblich) immer mehr Geld immer weniger Leistungen erbringen? Ganz einfach: mit Qualität und ihren Gebühren!
Schlau, schlau ... wenn der Schuss nur nicht irgendwann einmal nach hinten losgeht! In Haiti wären sie momentan sicher sehr froh, wenn sie überhaupt eine Medizin hätten, ob qualitätsgesichert, oder nicht!
Hier auch noch einmal ein Artikel zum selben Thema aus der Zeitschrift "Der Kassenarzt"
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benedicta,
Montag, 18. Januar 2010, 18:42
Das mit den Seifenspendern ist so ne "halbgare" Geschichte. Problematisch sind nämlich eigentlich nicht die Seifenspender, sondern die Wasserhähne - und zwar aus dem einfachen Grund, dass man die vor dem Waschen mit dreckigen Fingern anfasst, und nach dem Waschen mit sauberen... mit dem Effekt, dass man sich den ganzen Schmonz wieder auf die Finger schmiert.
In der Gastronomie ist es daher üblich, dass man entweder Infrarot-gesteuerte Wasserhähne hat, oder den Hahn nach dem Händewaschen mit dem Papier (jawohl, Papier!) zudreht, mit dem man sich die Hände getrocknet hat.
Das ist übrigens ein Paradebeispiel für "Qualitätsmanagement" ala deutsche Medizin: statt sich zu fragen, WARUM irgendetwas hygienisch riskant ist und dann zielgerichtet nach Minimax (minimaler Aufwand - maximaler Effekt) zu agieren, schießt man mit Kanonen auf Spatzen... und dann (natürlich) oft genug voll am Ziel vorbei.
In der Gastronomie ist es daher üblich, dass man entweder Infrarot-gesteuerte Wasserhähne hat, oder den Hahn nach dem Händewaschen mit dem Papier (jawohl, Papier!) zudreht, mit dem man sich die Hände getrocknet hat.
Das ist übrigens ein Paradebeispiel für "Qualitätsmanagement" ala deutsche Medizin: statt sich zu fragen, WARUM irgendetwas hygienisch riskant ist und dann zielgerichtet nach Minimax (minimaler Aufwand - maximaler Effekt) zu agieren, schießt man mit Kanonen auf Spatzen... und dann (natürlich) oft genug voll am Ziel vorbei.
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der landarsch,
Dienstag, 19. Januar 2010, 08:48
Vielen Dank für den Hinweis. die entsprechenden Damen und Herren in Brüssel werden sich sicher sofort mit dem Vorschlag beschäftigen und ihn schnellstmöglichst (zum Wohle unserer darniederliegenden Sanitär-Industrie) umsetzen.
Aber das zeigt auch nur wieder Brüssel, wie es leibt und lebt: Was für die Gastronomie Standard ist muss für die Medizin erst mühsam und sitzungs(gelder)-intensiv neu erfunden werden.
Aber dafür gibt es in der Medizin schon seit 50 Jahren auch Wasserhähne, die mit dem Ellenbogen bedient werden können!
P.s.: meine Qualitäts-Auditorin wollte doch tatsächlich, dass ich meinen ellenbogenbedienbaren Seifenspender an einer Stelle montiere, wo sich der Patient dann beim Aufstehen von der Liege den Kopf daran stößt. Das ist dann "Qualität nach Gesetzestext"!
Aber das zeigt auch nur wieder Brüssel, wie es leibt und lebt: Was für die Gastronomie Standard ist muss für die Medizin erst mühsam und sitzungs(gelder)-intensiv neu erfunden werden.
Aber dafür gibt es in der Medizin schon seit 50 Jahren auch Wasserhähne, die mit dem Ellenbogen bedient werden können!
P.s.: meine Qualitäts-Auditorin wollte doch tatsächlich, dass ich meinen ellenbogenbedienbaren Seifenspender an einer Stelle montiere, wo sich der Patient dann beim Aufstehen von der Liege den Kopf daran stößt. Das ist dann "Qualität nach Gesetzestext"!
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benedicta,
Dienstag, 19. Januar 2010, 14:15
Zum P.s.: Ich sags ja... man schießt mit Kanonen auf Spatzen und trifft nicht.
Qualitätssicherung, die nicht mit gesundem Menschenverstand angewandt wird, kannste in die Tonne kloppen.
Ellenbogenbedienbare Wasserhähne sind immerhin konsequent. Im OP geht das "Gastronomieprinzip" ja auch gar nicht, weil die sich die Hände gar nicht abtrocknen... zumindest im Fernseh nicht ;).
Übrigens ist auch in der Gastronomie nicht alles so toll: während es für jedes andere Handwerk den sogenannten "Meisterzwang" gibt, kann jeder Depp ne Gastronomie-Konzession bekommen - es reicht, wenn eine minimale Hygienebelehrung absolviert wird! DA könnte man den Regulierungswahn mal wirklich etwas sinnvoller austoben...
Qualitätssicherung, die nicht mit gesundem Menschenverstand angewandt wird, kannste in die Tonne kloppen.
Ellenbogenbedienbare Wasserhähne sind immerhin konsequent. Im OP geht das "Gastronomieprinzip" ja auch gar nicht, weil die sich die Hände gar nicht abtrocknen... zumindest im Fernseh nicht ;).
Übrigens ist auch in der Gastronomie nicht alles so toll: während es für jedes andere Handwerk den sogenannten "Meisterzwang" gibt, kann jeder Depp ne Gastronomie-Konzession bekommen - es reicht, wenn eine minimale Hygienebelehrung absolviert wird! DA könnte man den Regulierungswahn mal wirklich etwas sinnvoller austoben...
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