Montag, 18. Januar 2010
schleichende Rationierung
Hat sich unser Ober-Doc, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, seines Zeichens Vorsitzender der Bundesärztekammer erst kürzlich wieder lauthals dagegen gewandt, dass den Patienten in den Krankenhäusern und Praxen immer mehr Medikamente und sonstige medizinische Leistungen aus wirtschaftlichen Gründen verweigert werden. Dabei gibt es eine wesentlich hinterhältigere Methode der Verweigerung und Kürzung: Die "Qualitätssicherung"!

Qualität ist notwendig - besonders in der Medizin, keiner sagt etwas dagegen. Doch wer entscheidet eigentlich über "Qualität"? Bisher waren es die Ärztekammern. Aber da hatte Deutschland seine Kompetenzen ja noch nicht nach Brüssel out-ge-sourced!

Seit Brüssel kommen beständig - mehr - Vorschriften, was in einer Arztpraxis alles so aus "Qualitätsgründen" unverzichtbar ist (und anderenfalls nicht gemacht werden darf!).

Da muss z.B. jeder Arzt, der "operieren" will -wobei es völlig wurst ist, ob ich eine Herztransplantation machen will oder eine kleine Rißwunde versorge - einen "Operationsraum" haben, der bis an die Decke gefließt ist (der Boden natürlich auch). Wer's nicht hat darf/kann nicht -> ggf ab zum Chirurgen oder in's Krankenhaus!

Auch ein normaler Seifenspender (Handelsware vom Schlecker) reicht nicht: nein, auch im Sprechzimmer, in dem ich ständig den Leuten die Hand gebe, ihnen ihre verschwitzten und müffelnden Körperteile (es gibt natürlich auch sehr hygienische Mensch, aber die sind wohl in der Minderzahl) abtasten muss, ist ein mit dem Ellenbogen zu betätigender Seifenspender vorgeschrieben! Natürlich wasche ich mir nach der Untersuchung die Pfoten und desinfiziere sie sogar. Aber warum ich den Seifenspender - wie im OP, wo ich zu dieser Zeit schon als "steril" gelte" - nur mit dem Ellenbogen bedienen dürfen soll, entzieht sich meinem Verständnis. Beim nächsten begrüßenden Händedruck ist alles wieder perdu.

Aber es geht weiter: Mein Kühlschrank braucht ein von außen ablesbares elektronisches Minimum-Maximum-Thermometer frü 28 €. Das bisherige mit dem Quecksilberfaden darf's nicht mehr sein!

Alle elektrischen Geräte müssen jährlich auf irgendwelche "Kriechströme" vermessen werden (kostet ja nur ein bißchen Geld). Das sind völlig ungefährliche Ströme im Mikrowatt-Bereich (alles stärkere würde ja sofort mit einem Anbspringen der Sicherung bestraft).

Was irgendetwas "misst", muß regelmäßig geeicht werden (Ausnahme: die Blutdrucker, die Eichämter waren damit überlastet!), ganz egal, was ich hier messe (Ich hab ja nix gegen sinnvolle Kontrolle, schließlich liegt es schon in meinem eigenen Bestreben gute und sinnvolle Arbeit zu machen!).

Die bisher zulässigen (und zuverlässigen) Heißluftsterilisatoren - zu tausenden in den Arztpraxen vorhanden - sind auch nicht mehr erlaubt: jetzt brauchts den 50x so teuren Autoclaven. Außerdem sind die bisher ausreichenden Aufbewahrungsgefäße für sterilisierte Instrumente nicht mehr "sicher": jedes einzelne Instrument muss jetzt in spezielle Folien (kostet halt ein bißchen was) eingeschweißt werden - alles zum Wohl des Patienten (und der Industrie)!

Das kostet alles immer mehr Geld und (Personal-)Arbeitszeit, die von den Kassen nicht vergolten wird. Vielmehr ständige Kürzungen dieser Leistungen, Schlagwort: "wirtschaftliche Erbringung".

Was bleibt also: wenn der (Haus-)Arzt die einfachen Sachen nicht mehr selber machen kann, weil sie unrentabel sind: ab zum Facharzt, ab in's Krankenhaus. Nur dort mag die Leistung vielleicht "wirtschaftlicher" erbracht werden, dafür kommen aber üblicherweise viele Kosten hinzu, die beim Hausarzt nicht angefallen wären!

Und dann noch (Schlau sam'ma scho', mir Bayern!): hat da nicht ein gewisser Herr Seehofer, als er noch Gesundheitsmninister war, die Kostenübernahme für Fahrten zum niedergelassenen Arzt gestrichen? Jetzt kann der Patient selbst schauen, wie er - besonders auf dem Land - zum Facharzt kommt (Nur die Krankenhäuser durften natürlich nicht von den Patientenströmen abgeschnitten werden, die werden schließlich von der Öffentlichen Hand subventioniert!).

Schon 1893 haben die Krankenkassen einen Zusammenhang zwischen den Ärztezahlen und den Behandlunskosten entdeckt: klaro, je leichter ich an kostenlose Gesundheitsleistungen komme, desto eher werd ich sie auch in Anspruch nehmen! Da haben aber die Ärzte nix damit zu tun, sondern die Heilsversprechungen der Politiker und der Krankenkassenfürsten!

Wie kann man aber die Arzt-Patienten-Kontakte reduzieren, ohne die Arztzahlen (per Gesetz) zu begrenzen und ohne den Patienten reinen Wein einzuschenken, ihnen stattdessen zu suggerieren, "die geldgierigen Ärzte" würden für (angeblich) immer mehr Geld immer weniger Leistungen erbringen? Ganz einfach: mit Qualität und ihren Gebühren!

Schlau, schlau ... wenn der Schuss nur nicht irgendwann einmal nach hinten losgeht! In Haiti wären sie momentan sicher sehr froh, wenn sie überhaupt eine Medizin hätten, ob qualitätsgesichert, oder nicht!

Hier auch noch einmal ein Artikel zum selben Thema aus der Zeitschrift "Der Kassenarzt"

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